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Für eine Handvoll Zloty Teil 4

Am nächsten Vormittag, am 8.4., brachen wir auf Richtung Westen, nachdem wir mit Adams Nachbarn noch einen Disput über Hundehaltung und die Höflichkeit von deutschen Gästen hatten. Unterwegs versuchten wir noch Warszawas Metrosupermarkt wegen vegetarischer Nahrung zu plündern und Burgerkrieg zu bescheißen, letzteres klappte aber nicht, wie der American Express-Auszug von unserem Bassisten nach der Rückkehr zeigte. Dann fuhren wir Richtung Krotoszyn, wo wir am Mittwoch spielen sollten - eine nur teilweise vernünftige Entscheidung. Natürlich war die Strecke (ca. 300 km) bei den Straßenverhältnissen für 1 Tag zu weit, und das neue Hotel unterwegs war wegen der grauenhaften Nacht in Warszawa eine notwendige Erholung. Die Gegend wurde wieder mitteleuropäischer und Krotoszyn entpuppte sich sogar als deutsche Kleinstadt vom Aussehen her, wenn auch heruntergekommen. Leider hatten wir einiges an Zeit zum Totschlagen und so kamen die Vegetarier der Band auf die Idee, im Rathausimbiss Fritkies, also Fritten zu sich zu nehmen. Nach ein bisschen Shopping fuhren wir zum Folk Klub, der sich als - wer hätte es gedacht - Country and Western-Saloon in einem Kino herausstellte. Wie sollte sich hierher ein Punk verirren, von denen wir bisher auch keine gesehen hatten?! Tatsächlich aber kamen einige Gestalten, die irgendwie punkig aussahen, doch das Publikum blieb klein und das Konzert wurde zur Routineangelegenheit. Danach wieder ins Hotel - in diesen Dörfern werden nachts um 21.00 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt - und ein bisschen Party gemacht.

 
Plakat in Krotoszyn
Oben eines der seltenen Plakate von Crassfish, gesichtet in Krotoszyn, dementsprechend wenig Zuschauer, aber immerhin ein paar punkige Gestalten. (Besser plakatiert war in Ostroleka, daher dort auch biggest audience of the tour.) Unten: ein örtlicher Flyer.
Flyer in Krotoszyn
Band und PublikumSo sah der Folk Klub innen aus! Hatte man uns mit einer Country & Western-Band verwechselt? Im Vordergrund Teile der Band, im Hintergrund die Mehrzahl des Publikums
Pogomob
kein Platz für Konrad auf der Bühne
Konzertende, Blick in den Saal. Das ist Punkrock, oder?!
das Ende...
 
Am nächsten Morgen, dem 10.4., aber schlug das Schicksal zu: die Fritkies (offenbar in verbrauchtem Fett gesiedet - polnisches Essen kann öfter merkwürdig sein, so hatte ich 1995 mal "Salatka Hades" bestellt, nur um dann mit einer warmen Brühe voller Dosenfrüchte überrascht zu werden!) hatten bei den 3 Vegetariern zu Erbrechen, Durchfall und Fieber geführt, so dass an eine Weiterfahrt vorerst nicht denken war. Nach dem Versuch, mit einem polnischen Wörterbuch Medikamente zu besorgen, zeigte aber der Vormittag keinerlei gesundheitliche Besserung, so dass wir zunächst überlegten, das Konzert in Lowicz abzusagen. Adam jammerte uns die Ohren voll, dass er sehr viel Geld zahlen müsste, wenn wir das Konzert absagen würden, und wollte uns unbedingt wieder auf der Straße sehen - oder wir müssten ihm den Schaden ersetzen! Wir überlegten hin und her, zumindest das letzte Konzert in Jastrzebie (das war übrigens auch hervorragend geplant, wir sollten am 11.4. sowohl in Pila als auch Jastrzebie auftreten - allerdings war das ausnahmsweise nicht Adams Schuld) stattfinden zu lassen, was übrigens nochmals eine 300 km-Anfahrt und von dort eine 900 km-Heimreise bedeutet hätte. Dann könnten wir ohne großen Verlust die Tour abschließen. Da wollte Adam aber plötzlich nicht mehr mitreisen und von einer Übernachtungsmöglichkeit in seinem Apartment bei Katowice war auch keine Rede mehr. Als wir sein Solidaritäts-Gejammer mit der Feststellung konterten, dass Solidaritüt keine Einbahnstraße sei und er auch mal an die Gesundheit der kranken Bandmitglieder denken müsse, verabschiedete er sich ganz einfach, lies sich zum nächsten Bahnhof kutschieren und verschwand aus unserem Leben. Wir dagegen quälten uns 700 km nach Hannover zurück (mit Unterbrechung in Swiebodzin und glücklicherweise durch keine Großstädte, denn in Polen scheint das Wort Stadtplanung unbekannt zu sein, die Städte sehen in ihren Randbezirken wie ein Haufen verstreuter Bauklötze aus, geeignet Menschen noch mehr zu erniedrigen, als mitteldeutsche Plattenbausiedlungen) und überlegten, welche komischen Deals eigentlich Adam gemacht hatte, dass wir nur in Kleinstädten und nicht in größeren Orten, wo es sicher Punx gab, auftreten lies. Waren wir etwa Versuchskaninchen für neue Auftrittsorte, wie viel Geld zog er eigentlich bei den Klubs ab, dass er immer das Hotel für uns alle zahlen konnte, und sich dann doch verdrückte, ohne von uns Schadensersatz für die ausgefallenen Konzerte zu kassieren? Auch hatte er 300 Zloty für angeblich 1000 gedruckte Poster kassiert, von denen wir kaum welche zu sehen bekamen. Zurück in Hannover erfuhren wir dann von einem polnischen Freund, dass dessen Bruder mit seiner Band auf die gleiche Art und Weise auf Adam hereingefallen war. Daher können wir vor diesem Blutsauger nur ernsthaft warnen. (Allerdings hat Polen auch ein paar gute Seiten, z.B. Alkoholläden, die bis Mitternacht aufhaben, weshalb mein Lieblingssatz auch weiterhin ist: "Drink! Drink! This is polish reality!")
 
polnische Gartenzwerge warten auf deutsche Touristen
 

©1998 Leo Schönfeld

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