herz

ALBOTH!

Keiner macht Musik wie sie

 

In jedem Leben kommt einmal der Punkt, an dem mensch sich entscheiden muß: Abenteuer oder Sicherheit. ALBOTH! war schon immer eine Band, die sich dem musikalischen Abenteuer verschrieben hatte und deshalb war, als bedingt durch die vielen Tourneerfahrungen das Alltagsleben in der Schweiz immer einengender erlebt wurde, der Schritt hinaus in die Welt ein folgerichtiger und künstlerisch notwendiger. Jetzt haben sie in Berlin ihre Zelte aufgeschlagen, bereit die ganze Welt zu erobern. Sogar Japan hat schon Interesse angemeldet und ALBOTH! sind gespannt darauf, zu erfahren, was sie dort erwarten wird.

Daß durch den Schritt aus der Schweiz heraus die Band zwei Mitglieder verloren hat, die der Sicherheit einer bürgerlichen Existenz (womit ich nichts gegen Familie und Kinder sagen will, auch dies sind spannende Erfahrungen, doch schwerlich mit einem kreativen Leben vereinbar) dem künstlerisch wertvollen Nagen am Hungertuch den Vorzug gaben, ist bedauerlich. Auch der Migros Genossenschaftsbund, milde gestimmt durch den klassischen Background der Musiker, konnte mit seiner Kulturförderung hieran nichts ändern. Jahrelang waren der verzerrte Bass von Pauli und Krauts Klavier-Stakkato stilprägend für den Sound von ALBOTH!. Mit dem Gitarristen Tito haben Lieder und Wertmüller aber einen neuen Partner gefunden, der sie zu einem völlig neuem Konzertprogramm inspiriert hat, dessen erste Früchte auf der neuen CD "Ecco La Fiera" zu hören sind. Geschickt haben die drei die alten Stärken von ALBOTH! mit den bisher nicht genutzten Klangmöglichkeiten der Gitarre (nein, es muß nicht immer nur der Powerchord von Oasis sein) verbunden. War die vorherige CD "Amor Fati" noch geprägt von leeren Räumen und spontanen Ausbrüchen, entstanden im Datenaustausch zwischen Berlin und Thun als Meditation über die Zahlenreihe 3-5-9-15-9-5-3 und deren melodischen und rhythmischen Möglichkeiten, so ist "Ecco La Fiera" ein klanglich dichtes Werk wie nie zuvor, geprägt von neuen rhythmischen Möglichkeiten und fast schon melodischen Klangbewegungen. Geblieben ist der eigenwillige, unverständliche Gesang von Lieder. Zwar behauptet dieser, seine Texte tatsächlich niederzuschreiben und nicht zu improvisieren, doch die von ihm geschaffenen Worte haben keinen Inhalt in herkömmlichen Sinn. Wichtig ist der Klang der Worte, wie auch Klang an sich im Kosmos von ALBOTH! einen hohen Stellenwert hat. Vielen mag das Resultat unverständlich erscheinen, doch erklären will die Band sich nicht, denn Musik erklären sei wie "ein Abendessen zu erzählen". Und daher reicht es ihnen auch völlig aus, wenn Menschen ohne vorher sich mit ALBOTH! beschäftigt zu haben zu ihren Konzerten kommen und dann aus ihrem Bauch heraus entscheiden, ob ihnen die Musik gefällt oder nicht. Nicht intellektualisieren, sondern anrühren wollen ALBOTH! mit ihrer einzigartigen Musik. Einzigartig, das ist übrigens das höchste Lob, daß mensch über einen Band aussprechen kann. Auf ALBOTH! trifft es zu. Keiner macht Musik wie sie.

© Martin Fuchs, 04.02.2000
Zuerst erschienen in LOUNGE #9 (Hannover), April 2000

 

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ALBOTH!
"amor fati"
(Pandemonium/Cargo)

Staun!

(Erste Anmerkung: 9 Stücke sind auf dieser CD, in auf- und wieder absteigender Länge von 3, 5 (=3+2), 9 (=5+2+2), 15 (=9+2+2+2) Minuten. Ein Cover voller Wolkenfotos, darüber verschlungene Ketten von jeweils 7 Balken mit den Songlängen entsprechenden Proportionsverhältnissen, die Anfangsbuchstaben der Titel der Stücke dazu in alphabetisch aufsteigender Folge: welche bizarre Symmetrie offenbart sich uns hier?!)

(Nächste Anmerkung: Alboth!, benannt nach einem erschossenen schweizer Geheimagenten (Gibt es das wirklich, einen schweizer Geheimdienst?!), begannen 1991 als ein Schlagzeug/Baß/Piano-Trio mit einer Mischung aus Slayer und Strawinski, seit 1992 verstärkt um einem Sänger, der sich weigert verständliche Worte auszustoßen. Ihre CDs wurden mit der Zeit länger und ruhiger, eine Entwicklung den Melvins nicht unähnlich, doch blieben sie bizarr und enigmatisch wie höchstens noch Peter Hammill.)

(Letzte Anmerkung: Nachdem die CD ausgeklungen war hatte ich das Gefühl, einer Parallele durch Berge und über Täler bis zu ihrem Anfang gefolgt zu sein. Klassische Alboth!-Nichtsongs mit Piano und verzerrtem Baß folgen Partien, wo Schlagzeugteile durch leere Messehallen geschleift werden. Dies ist kein Rock (was Alboth! noch nie waren), dies ist keine New Electronica (auch wenn die CD an dem Homecomputern der Mitglieder entstanden sein soll) noch Neue Musik. Dies ist Illbient (wenn das der Name für eine neue 12-Ton-Musik sein sollte, die dich mit dem Gegenteil von beruhigenden Geräuschen umspülen will.)

© 1998, Martin Fuchs
Zuerst erschienen in LOUNGE #7 (Hannover), Oktober 1988

 

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