Rob Pilatus (Milli Vanilli) | Dead Popstars | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rob
Pilatus, geboren am 8.6.1965, tot aufgefunden am 3.4.1998 in einem Frankfurter
Hotelzimmer kurz nach dem Ende einer weiteren Entziehungskur, verstorben vermutlich
an einer tödlichen Mischung von Alkohol und verschreibungspflichtigen Medikamenten
- kein unüblicher Tod im Rock'n'Roll, aber Milli Vanilli waren das Gegenteil
von Rock'n'Roll und somit war der Todesfall doch etwas überraschend. Was war geschehen? Der in New York als Sohn eines amerikanischen Soldaten und einer deutschen Stripteasetänzerin geborene Rob Pilatus, aufgewachsen bei Adoptiveltern in München, arbeitete schon seit 1985 mit Fabrice Morvan aus Paris als Tänzer- und Fotomodellduo zusammen, als beide auf Frank Farian stießen, der sie 1989 unter dem Namen Milli Vanilli (angeblich türkisch für "positive Energie", aber wahrscheinlicher der Namen einer früheren Berliner Diskothek) zu dem Lied "Girl You Know It's True" die Sänger mimen lies, weil die echten Sänger optisch nicht ansprechend genug waren. Die dazugehörige LP wurde weltweit Nummer 1, verkaufte 10 Millionen Exemplare, davon allein 7 Millionen in den USA, warf 3 Hit-Singles ab, eine Videokollektion, die 100.000 Stück in einem Monat umsetzte und brachte Milli Vanilli Anfang 1990 einen Grammy als "Best New Artist" ein - sowie im amerikanischen Rolling Stone (bekannt als Hüter der echten ehrlichen und handgemachten Rockmusik und somit Feind aller Disco-Künstlichkeit) die ersten Plätze der Kategorien schlechtester Künstler und schlechteste Platte. Offenbar stieg Pilatus der Erfolg zu Kopf, denn gegenüber Time behauptete er im Februar 1990: "Musikalisch haben wir mehr Talent als Bob Dylan. Musikalisch haben wir mehr Talent als Paul McCartney. Mick Jagger, seine Melodien sind nicht sauber. Er weiß nicht, wie er sie zum klingen bringt. Ich bin der neue moderne Rock'n'Roll. Ich bin der neue Elvis." Sein meist schweigsamer Partner Fabrice begnügte sich damit, den Rhythmus als Schlüssel zu ihrem Erfolg zu benennen. Aber zwischen den Zeilen deutete sich das Unheil bereits an. Rob: "Vielleicht werden wir aufhören, Milli Vanilli zu sein, um unsere eigene Musik zu machen. Unsere Leute wollten nicht, dass wir so groß werden wie wir es jetzt sind. Sie haben ein Ungeheuer erschaffen." (Das erinnert an den unerwarteten Welterfolg von "Mambo Nr.5" von Lou Bega: so früh auf ein noch nicht ausformuliertes Image festgelegt zu werden, da bleibt nur schnell abkassieren und sich auf den Absturz vorbereiten.) In der Folgezeit verlangten Rob und Fab von Frank Farian, selbst auf den nächsten Platten singen zu dürfen, was dieser ablehnte - und in einer Pressekonferenz am 14.11.1990 bestätigte Farian die schon länger kursierenden Gerüchte, dass Rob und Fab an den Aufnahmen gar nicht beteiligt waren. Für Farian war dieses Eingeständnis nicht weiter schlimm, war doch schon längst bekannt, dass bei Boney M., seiner vorherigen Erfolgsband aus den 70er Jahren, er selbst im Studio alle männlichen Stimmen eingesungen hatte und für Bobby Farrell, den "Sänger" des Gesangsquartetts, nur wildes Tanzen und Grimassieren vor den Kameras übrig blieb (bei den paar Live-Auftritten durfte er aber tatsächlich singen). Einen Tag nach der Pressekonferenz von Farian klagte Rob gegenüber der Los Angeles Times: "Ich fühle mich wie ein Mücke, die zerquetscht wird. Die letzten beiden Jahre war unser Leben wie ein totaler Albtraum. Wir mussten alle anlügen. Wir können wirklich singen, aber Frank Farian, dieser Kontrollfreak, hat uns nie erlaubt, uns selbst auszudrücken." Farian (mit bürgerlichen Namen Franz Reuther, seit den 60er Jahren im Musikgeschäft, laut eigener Aussage "kein Fan der Beatles, sonder von Sam Cooke, Little Richard und Otis Redding" und laut Aussage seiner früheren Mitmusiker von "Frankie Farian and the Shadows" ohne Gefühl für Rhythmus, aber mit Gespür fürs Geschäft) trat dem in der Washington Post entgegen: "Ich habe niemals einen so schlechten Sänger gehört. Sie wollten singen. Sie wollten Songs schreiben. Nichts passierte. Stattdessen blieben sie in den Discos bis 4 Uhr morgens und verschliefen die Tage." Farian verstand auch nicht, warum das Publikum über die Enthüllung so aufgebracht war: "Wo ist der Betrug? Glaubte irgendjemand in den USA, dass die Village People oder die Monkees wirklich selbst gesungen haben? Oder die Archies? Ich bitte sie, jeder macht das seit 25 Jahren." Es stellte sich heraus, dass die Stimme von Milli Vanilli zu dem ehemaligen Wilson Pickett-Schlagzeuger Brad Howell, der schon 45 Jahre alt war, und dem ehemaligen GI John Davis gehörten, die beide nicht so photogen wie Rob und Fab waren. Der Rapper auf "Girl You Know It's True" war Charles Shaw, der schon im Herbst 1989 behauptet hatte, der echte Milli Vanilli zu sein. Später zog er seine Behauptung zurück, aber Farian kündigte ihm jede weitere Zusammenarbeit auf. Beide behaupten, sich gegenseitig bedroht zu haben. Zu den Hintergründen des "Skandals" erzählte Farian weiter, dass das ursprünglich Pilatus und Morvan an ihn herangetreten seien und sich als Sänger- und Tänzer-Doubles angeboten hätten, und er die Aufnahmen unter solcher Geheimhaltung nachts produziert hätte, dass weder Howell noch Davis von einander wussten. So nahm die Background-Sängerin Gina Mohammed nach eigenen Angaben bis zum Schluß an, dass tatsächlich Rob und Fab gesungen hätten. Als die beiden auf Welttournee gehen wollten verbot Farian ihnen dies, weil er gewusst hätte, dass der Schwindel dann platzen würde. Auch John Davis fühlte sich angepisst, dass Fab und Rob bei der Grammy-Verleihung keine Dankbarkeit für die Mitwirkenden im Hintergrund gezeigt hätten. Er wollte sie sogar auf entgangenes Einkommen verklagen, wenn sie mit seiner Stimme auf Welttournee gehen würden. Farian sagte weiter, die Sache sei einfach zu groß geworden und als Fab und Rob ihre Geschichte als Buch vermarkten wollten hätte er den Stecker gezogen. Farian versuchte später, bereits fertige Aufnahmen unter den Namen "The Real Milli Vanilli" und dann mit neuen Gesangsstimmen als "Try'N'B" zu vermarkten. 5 Tage, nachdem die Wahrheit herausgekommen war, forderte die National Academy of Recording Arts and Sciences Milli Vanilli auf, den überreichten Grammy zurückzugegeben (Rob und Fab schlugen vor, ihn den wahren Interpreten Howell, Davis und Shaw zu überreichen, aber auch Neneh Cherry, die Indigo Girls, Soul II Soul und Tone Loc als mitnominierte "beste neue Künstler für 1989" gingen leer aus, die NARAS lies diese Kategorie für 1989 nach der Rückgabe der Trophäe einfach unbesetzt) und "Girl You Know It's True" wurde die bestverkaufteste Platte, die je von einer Plattenfirma vorerst auf ewig aus ihrem Katalog gestrichen wurde. Schließlich rief Pilatus die Los Angeles Times an und drohte damit, vom Hotelbalkon zu springen, was die Polizei zu verhindern wusste. 2 Jahre später versuchten die beiden als Rob und Fab ein Comeback, aber nur Morvan zeigte irgendein Gesangstalent und versuchte sich in der Folgezeit an einer Solokarriere. Sein Kommentar zum Tod des Ex-Partners, mit dem er seit 3 Jahren keinen Kontakt mehr hatte: "Milli Vanilli waren keine Schande. Die einzige Schande ist, dass Rob allein gestorben ist... Wo waren all die Leute, die uns auf den Gipfel getrieben haben und die Millionen verdienten?" Nach dem Comeback-Flop stürzte Pilatus immer weiter ab. Im Dezember 1995 griff er einen Mann mit dem Ständer einer eisernen Stehlampe an, einen Monat später verwüstete er eine Wohnung und schlug einen anderen Mann zusammen, und wiederum einen Monat später verprügelte er einen Autobesitzer, der ihn beim Aufbrechen seines Fahrzeuges erwischte. Ein Gericht in Los Angeles verurteilte Pilatus zu 3 Monaten Gefängnis und 6 Monaten Entziehungskur. Weitere Aufenthalte zur Drogenbehandlung, zumeist wegen Kokainabhängigkeit, folgten, und im Mai 1998 schockierte Rob die deutschen Fernsehzuschauer in einer Reportage in einer Entzugsklinik mit seinem Wunsch zu streben. Einer seiner Mitpatienten meinte, Rob müsste wohl ein Dutzend Mal im Entzug gewesen sein. Vielleicht waren seine Jugend als Adoptivkind und Ausreißer ohne feste Familienbande ein Grund dafür, dass er sich anders als Fabrice in den USA als verlorene Seele empfand, die im Schatten gefangen war und den american way of life nicht begreifen konnte, nicht die Chance sah (oder aus Stolz nicht sehen wollte), dass ihm das Publikum im Rahmen des 80er Jahre-Revivals seine Jugendsünden vergeben würde, wenn er sich selbst nicht so ernst nehmen würde. Denn zum Zeitpunkt seines Todes war nach dem Erfolg des VH1-Specials "Behind The Music" über Aufstieg und Fall des Duos eine weitere Fernsehdokumentation über Milli Vanilli in Arbeit. Doch Rob nahm sich offenbar selbst zu ernst und kam über die Schande von 1990 nicht hinweg, was ihm zusammen mit einem exzessiven Lebensstil das Genick brach. Dank an http://www.crapfromthepast.com/millivanilli/index.htm,
ohne deren Informationen diese Seite nicht möglich gewesen wäre!
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Milli Vanilli - / Rob & Fab - Diskografie | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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© 31-05-2004 by Martin Fuchs / Mehr Tote? / Zurück zu den Lebenden?